AT: Von Damascus nach Marion
Appalachian Trail
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Sechs Nächte mussten wir schließlich zwangsweise im Motel Super 8 in Abingdon verbringen. Fünf volle Tage, die wir mit Arztterminen, Kühlaktionen und Shoppen im Supermarkt verbracht haben. Zwischendurch ging unser Blick raus auf die riesigen Parkplatzflächen von namenhaften Ketten wie Taco-Bell, Pizza-Hut, Kentucky Fried Chicken, McDonalds... für uns war diese Gegend unfassbar, gesichtslos, erschreckend... Diese "Fress-Industriegebiete" gibt es in den USA an jeder Ecke und so langsam bekommen wir eine Ahnung, warum es hier auch so unendlich viele Menschen mit Übergewicht gibt. Von den verkümmerten Geschmacksnerven wollen wir an dieser Stelle lieber nicht anfangen.

Wir waren jedenfalls ziemlich erleichtert, als wir das Motel verlassen konnten und mit dem bestellten Shuttle Service nach Damascus zurück gebracht wurden. Damascus war nach den Traildays wieder leer, keine verrückten Hiker mehr, die angeblich des nachts nackt ums Lagerfeuer tanzten. Wir hatten von den Traildays einen kleinen, aber ausreichenden Eindruck an dem Tag bekommen, als wir kurz durch den Park gewandert sind. Das war uns genug!

Der Trail ging kurz hinter Damascus erstmal wieder bergauf und mit dem Essen für 5 Tage waren wir nach nur wenigen Meilen völlig durchgeschwitzt. Ja, es war auch schwül, aber Terrain und das Gewicht auf Buckel und Schultern machte uns ziemlich zu schaffen. Außerdem mußte Mark ja auch noch Antibiotika nehmen, was ihn auch nicht gerade fitter werden ließ. Wir fühlten uns wie die Anfänger auf dem Trail. Schade, denn wir hatten vor unserem "Einbruch" das Gefühl, richtig fit zu sein, Trail-Legs zu bekommen. Das war alles wech *sniff*!

Am ersten Shelter machten wir ausgiebig Pause und sahen Numb-Toes (ein Deutscher) Zelt dort herumstehen. Es war Mittagszeit und er schlief tief und fest. Hatte er vielleicht noch einen Hangover von den Traildays? Wir sahen einige schlafende Hiker am Wegesrand und wunderten uns. Mehr aber auch nicht.

Wir kreuzten mehrmals an diesem Tag den Creeper-Trail. Eine alte Bahnstrecke, die zum Radweg umgebaut wurde. 17 Meilen bergab durch tollen Wald und Landschaft. Die vielen Fahrradshuttles in Damascus gaben schon einen ersten Hinweis auf die Beliebtheit dieses Bike Trails. Aber auch Raven hatte uns davon erzählt. Viele Leute nutzten das tolle Wetter, sich rollen zu lassen. Wir beobachteten einige radelnde Leute, als wir auf einer Bank am Trail eine Pause machten. Es sah gemütlich aus, aber wir behielten die Wanderschuhe trotzdem an ;-)

Wir gingen bis zum Lost-Mountain-Shelter, was erstaunlicherweise leer war, als wir ankamen. Denn diverse Zelte und Hammocks waren schon aufgebaut. Wir wurden sehr herzlich von Sectionhikern begrüßt, die das lange Wochenende vom Memorial Day nutzen, um die Natur zu genießen. Später kamen dann doch noch Thru-Hiker und mit Ismael, Hummingbird und Pilgrim wurde das Shelter voll. Die Schnarcherei der älteren Herren neben uns war ein einziges Getröte, 2Tall hätte bei dem Geräuschpegel bestimmt keine Bärenleine aufhängen müssen, aber ok...

Im Shelterbuch waren schon einige Einträge von den Wanderern, die sich auf die wilden Ponies freuten, und auch ich geriet in eine gewisse Vorfreude, die Vierbeiner zu sehen. Aber bis dahin hatten wir noch einige felsige Abschnitte zu bewältigen, was mir mein Schienbein ziemlich übel nahm. Bergab auf größeren, kleineren und wackeligen Felsen zu balancieren, war nicht so das Ding vom geplagten Unterschenkel. Aber das Gemüt bekam noch ein bißchen Balsam, denn am Parkplatz gab es Trailmagic von 2 älteren Männern, die in Sections den Trail gemacht haben und nun jedes Jahr Burger brutzeln. Super, denn es gab sogar Kaltgetränke und selbstgemachte Brownies. Wir blieben, bis wir im Schatten wieder heruntergekühlt waren und gingen dann weiter Richtung "Grayson Highland State Park". Die eigentliche Parkgrenze wollten wir erst am nächsten Tag passieren, aber auf einer Wiese sahen wir schon die ersten Ponies und da mußte ich natürlich hin. Wir waren noch nicht ganz an der Herde angekommen, da kam ein junger Hengst ganz selbstverständlich auf uns zu und leckte an meinen Armen und Beinen herum. Die Pferde haben definitiv ein Problem mit ihrem Salzhaushalt, denn wir hörten schon von diesen "Leckattacken". Ich bedankte mich im Gegenzug mit ausgiebigem Kratzen und Knuffen im Kruppenbereich, was mit einem witzigen Oberlippenspiel und Kopfwackeln beantwortet wurde. Die Pferde sehen aus wie eine Mischung aus Isländer und Shetlandpony und die große Anzahl an Fohlen war einfach wunderschön anzusehen. Ich war hin und weg!

Da wir uns lange mit den Pferden beschäftigt hatten, gingen wir nur noch bis zum Thomas Knob Shelter. Wir waren komischerweise mal wieder die Ersten, die dort "einzogen", denn ums Shelter herum waren Massen von Sectionhikern mit ihren Zelten. Treffen Section-und Thru-Hiker aufeinander gibt es immer wieder interessante Begegnungen. Manchmal werden "wir" mißtrauisch beäugt, interessiert begafft oder es werden die üblichen Dinge gefragt übers Essen oder die Ausrüstung.

Mekka, Centerfield und Numb-Toes tauchten noch auf und der Deutsche bot eine abendliche Show, die vom Feinsten war. Er ging nämlich mit seinem Wasserbeutel in den Wald, schrie dort einige Male recht heftig und kam dann nur mit Unterbuchse bekleidet zurück. Da schauten dann nicht nur die Wochenendhiker ziemlich verdutzt. Sein großzügiges Angebot, seine kalte "Dusche" auch noch zu nutzen, lehnten wir alle ab, denn es war zu dieser Zeit schon richtig kühl und auch die Nacht wurde in dieser Höhe (5500feet=1670m) ziemlich frisch.

Am nächsten Tag sahen wir weitere Ponyherden, die aber nicht mehr ganz so zutraulich waren, und auch wieder unfassbar viele Spaziergänger. Trotzdem wars ein wunderbarer Abschnitt auf dem AT, denn nicht nur die Pferde, sondern auch die Weitblicke und die Felsformationen, eine mit dem Namen "Fatman Sqeeze", boten tolle Abwechslung.

Wir wanderten an diesem Tag 16 Meilen zum Hurricane Mountain Shelter, wo wir Kat mit ihrer Gruppe wiedersahen und außerdem Deliberate, Duck und Hawk kennenlernten. Wir lachten an diesem Abend so viel, denn die drei wollten unbedingt deutsche Phrasen lernen. Gar nicht so einfach "er ist kein Kind von Traurigkeit" zu übersetzen und zu erklären. Aber genau so einer ist Duck und seine Sprüche kommen so trocken rüber, dass wir manchmal kurz zögerten, weil wir nicht genau wussten, ob er es ernst meinte oder ob er mal wieder irgendeinen Spruch gemacht hatte. Das Shelter war schön, die Leute waren gut drauf... es war ein wunderbarer Abschluss eines tollen Tages.

Leider machten sich Duck und Hawk schon um 6.30 Uhr am nächsten Morgen auf, weil sie an diesem Tag 20 Meilen gehen wollten. Verrückte, dachten wir, und drehten uns nochmal gemütlich auf der Isomatte um, aber es kam dann irgendwie alles anders. Wir gingen um 9 Uhr los und hinterließen eine traurige Deliberate, die sich von ihren Wanderbuddys nach gut 3 Wochen verabschieden mußte. Die Arme war ziemlich geknickt.

Wir machten uns auf und wanderten bei ziemlichen schwülen Wetter durch Wald und über Kuhweiden. Dann kamen wir an ein Schild mit dem wunderbaren Wort "Trailmagic". Es sah alles so perfekt aus, Zeltdach, Stühle, Kühlbox und eine riesige Kiste... Leider war alles leer. Über das Wochenende waren wohl viele Hiker unterwegs gewesen und es wurde nichts übriggelassen. Das war enttäuschend, denn ein kühles Getränk wäre zu diesem Zeitpunkt des Tages perfekt gewesen. Wenigstens konnten wir unseren Müll abwerfen und uns einige Minuten im Schatten erholen. Wir liefen also wieder los und keine 200m weiter hatte jemand anderes einen Karton mit Eisbeuteln und Getränkedosen bereit gestellt. Es waren noch drei Dosen da und wir mal wieder diesem unbekannten Trailangel überaus dankbar. Solche Dinge passieren nur auf dem Trail!

Als wir an dem Zeltplatz ankamen, wo wir eigentlich die Nacht verbringen wollten, stellten wir fest, dass es weder einen guten Platz zum Zelten noch Wasser gab. Oh nein, und nun? Zurück zum letzten Flüsschen? Dann irgendwo einen Platz suchen? Nein, wir gingen weiter und hofften, gegen 19 Uhr am Partnership Shelter zu sein.

Das wurde noch ein ziemliches Stück Arbeit und unterwegs lasen wir Zettelchen von deutschen Wanderern, die ebenso wie wir den Zeltplatz übersprangen und sich am nächsten Shelter treffen wollten. Aber nicht nur kleine Nachrichten, sondern auch eine riesige Schlange sahen wir um einen toten Baum am Trail geschlängelt. Sie bewegte sich gerade in den ausgehöhlten Stamm und nur das lange Hinterteil war zu sehen. Das war erschreckend genug, denn das Vieh war echt lang und das sage ich jetzt nicht nur, weil meine Erinnerung vielleicht irgendetwas verzerrt. Die Schlange hatte an uns aber definitiv kein Interesse und mit Gänsehaut und Herzklopfen ging es noch einige Meilen weiter.

Am Ende des Tages kamen wir dann auch auf unsere 20 Meilen, das sind übrigens 32 km, und wir erklärten uns dann für ebenso verrückt wie alle anderen Hiker, die solche und noch längere Strecken an einem Tag gehen!

Hawk und Duck trafen wir leider nicht, aber dafür trafen wir Chewbacca und auch Hummingbird wieder, die uns mit einer Pizza entgegen kam. Nicht weit vom Shelter lag das Visitorcenter mit einem öffentlichem Telefon. Nichts liegt näher, als sich darüber etwas zu essen liefern zu lassen und das am Shelter zu vertilgen. Wir bekamen auch noch 2 Stücke ab und zu unseren Nudeln gabs dann eine herzhafte Beilage. Es waren einige Leute am Shelter und eine Gruppe hatte noch so viel Energie "Marshmallow-Baseball" zu spielen. Das Feld wurde mit Wanderstöcken abgesteckt und der Marshmallow mit der flachen Hand weggeklatscht. Hiker-Spiele!

Noch etwas besonderes gab es an diesem Shelter, eine fast warme Dusche. Dieses saubere Gefühl nach so einem langen, schweißtreibenden Tag ist einfach nur genial.

Heute lassen wir uns für 50 Cent nach Marion shutteln, dieser fast Zero-Day, nämlich ein "Nero-Day" wird uns gut tun. Außerdem müssen wir einkaufen, Wäsche waschen und die müden Beine hochlegen. Wir sind wieder unterwegs, das ist ein tolles Gefühl!

(Good Grip, 28.5.2014)

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