AT: Von Waynesboro, VA nach Buchanan
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail
Appalachian Trail

Stanimals Hostel lag in einem beschaulichen Wohngebiet und wir hatten ein paar Stunden für uns allein im Keller, bevor die anderen Gäste kamen. Wir mussten erstmal durchschnaufen, auch wenn es in Shenandoah ja gute Wege gab, waren wir kaputt und müde von den letzten Tagen. Das übliche Prozedere für jeden Hiker im Hostel: Duschen, Waschen, Essen, Futterbeutel aufüllen... Wir erledigten unsere Pflichten und gingen deswegen erst spät etwas essen und einkaufen. Der Rückweg gestaltete sich als nicht so ganz ungefährlich, denn auch wenn wir in einem Wohngebiet waren, gabs weder Straßenlaternen noch Bürgersteige. Auch die Überquerung der großen Kreuzung vom Supermarkt zurück war ohne Fußgängerüberwege ein heikles Unterfangen. Als Hiker hast du zwar auch immer deine Stirnlampe dabei, aber diese wenig fußgängerfreundlichen Orte sind schon irgendwie lästig.

Die drei anderen Gäste im Hostel informierten uns über die Wassersituation gen Süden und leider sah die wegen der Trockenheit der letzten Wochen gar nicht gut aus. Nach langem Hin-Herüberlegen entschieden wir uns, den kommenden Streckenabschnitt von einem südlicheren Punkt nach Norden zu gehen und eine weitere Nacht im Hostel zu verbringen. Ja, wir haben es getan, wir haben das erste Mal Slackpacking gemacht und es fühlte sich, natürlich, super an. Denn wir konnten diverse Sachen im Hostel lassen und hatten nur leichtes Gepäck für den Tag. Es fühlte sich sehr leicht an, wir flogen über den Berg, was aber eventuell auch daran lag, dass die Steigung gen Norden viel einfacher zu bewältigen war. Jetzt waren wir also für das “normale“ Wandern verdorben, oh weia.

Am nächsten Tag wurden wir dann wieder zum Dripping Rock Gap gefahren, um von dort gen Süden weiterzulaufen. Mit vollem Gepäck und Essen für einige Tage brachen wir fast unter der Last des Rucksacks zusammen. Nicht nur deswegen wurde es ein heftiger Tag, die Three Ridges Wilderness setzte uns mächtig zu und der felsige Untergrund machte es mit den trockenen Blättern auch sehr rutschig und unsicher. Am Nachmittag kamen wir dann an einem Shelter mit Fluss an und wurden von vier älteren Herren mit Fragen bombardiert, woher wir kämen, wo wir noch hin wollten. Es ist nett, dass die Leute so interessiert sind, aber leider gehen die Gespräche selten darüber hinaus und wir sind schon etwas müde, immer das gleiche zu erzählen. Leider war der Zeltplatz mal wieder total abschüssig und wir konnten uns während der Nacht nicht so gut erholen. Am nächsten Tag stand der Aufstieg zum "Priest" an und der Himmel deutete schon an, dass das Wetter sich wohl ändern würde. Wir machten uns aber auf den Weg, weil wir hofften, dass der Regen erst später einsetzen würde. Diesen Gefallen tat uns das Wetter nicht. Am steilsten Abschnitt kamen wir in die Wolken und bekamen Wind und Regen voll ab. Das war heftig, zum Glück gabs kurz nach dem Gipfel ein Shelter, wo wir uns kurz ausruhen und etwas essen konnten. Wir trafen bei diesem Wetter tatsächlich noch einige andere Wanderer, ich hatte gedacht, wir wären die einzigen Verrückten. Ein Hiker erzählte uns, dass er sein Packcover verloren hätte und wenn wir es fänden, dürften wir es natürlich gerne behalten. Ich hoffte sehr, dass wir das Ding sehen würden, denn mein Poncho war nicht mehr ganz dicht. Aber der Wind war so stark, dass ich nicht zuversichtlich war, den Regenschutz zu finden. Ich habe ja schon ein paar Sachen auf dem Trail gefunden und tatsächlich auch das Packcover, was ich super gebrauchen konnte. Es lag sogar richtig rum, dass ich meinen Rucksack direkt abdecken konnte, juchuh.

Bis zum nächsten Shelter waren es noch einige Meilen mit Wind und Regen und der Abzweig zum Shelter wirkte dann wie eine Erleichterung. Eine andere Hikerin war schon da und wir beschlossen, unsere beiden Zelte im Shelter aufzubauen, denn der Wind blies den Regen direkt hinein und so hofften wir auf eine trockenere Nacht. Es stürmte und regnete heftig und wir waren so froh, ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Und der nächste Morgen? Ein wunderbarer Sonnenaufgang als wäre nichts gewesen, nur die nassen Schuhe und Socken vermittelten noch einen Hauch von dem gestrigen Tag. Ehrlich gesagt, war das das Schlimmste, morgens in nasse Socken und Schuhe zu steigen. Das kostete mich Überwindung. Der Tag blieb trocken und wir konnten sogar an einer sonnigen Stelle diverse Sachen trocknen. Aber der gestrige Tag saß uns in den Knochen, bei Wind und Regen so viele Höhenmeter zu machen, kostete Energie und ich war ziemlich erledigt. Aber das Shelter für die Nacht lag sehr idyllisch am Flüsschen und auch der Weg dorthin war wunderschön. Wir mochten es, den Trail für uns ganz allein zu haben und auch die Möglichkeit, allein im Shelter zu sein, gefiel uns immer besser.

Vielleicht war es der Regentag oder meine Schuhe waren nun tatsächlich durchgelatscht, am nächsten Tag spürte ich meine rechte Hüfte wie damals auf dem Albsteig. Ok, jetzt also mal zur Abwechslung mal eine Bursitis am Trochanter. Ich versuchte mit Schmerzmitteln dagegen zu steuern, aber am Punchbowl Parking entschieden wir uns, nach Glasgow ins Hostel zu fahren, was ebenfalls Stanimal gehört. Dazu kam auch noch, dass 2Talls neue Schuhe hinten im Fersenbereich einfach mal gerissen waren und ein neues Paar organisiert werden musste. 2Tall versuchte, Adam zu erreichen, um ein Shuttle zu organisieren, aber der Empfang war so schlecht, dass das nicht funktionierte. Am Parkplatz stand ein Auto, was wohl Tageswanderern gehörte, und wir hofften inständig, dass sie bald wieder zu ihrem Auto zurück kehren würden, damit wir ihr Telefon benutzen konnten. Sie kamen, wir durften telefonieren und dann haben sie uns direkt vor die Haustür des Hostels gefahren. Trailmagic!

Das Hostel wird von Donna geführt, bis vor kurzem waren sie und ihr Mann die Caretaker hier, aber Donnas Mann ist vor vier Wochen an einem Herzinfarkt gestorben und man merkte ihr die Trauer und Verunsicherung noch sehr an. Wir suchten online nach dem nächsten Outfitter, und zusammen mit Donna fuhr 2Tall nach Lexington, um neue Schuhe zu besorgen. Ich blieb im Hostel, machte Übungen und kühlte meine Hüfte. Glasgow ist übrigens ein kleines Örtchen mit einem riesigen Dinosaurier im Ort, der wohl aus irgendeinem Filmset oder Kunstprojekt zurück geblieben ist. Absurd.

Neue Schuhe wurden gekauft, die Alten im Hostel verstaut, denn auf dem Rückweg nach New York werden wir sie abholen und versuchen, das Geld zurück zu bekommen. Mal sehen, wie kulant der "weltgrößte" Outfitter wirklich ist. Ich nutzte Tape und Schmerzmittel für die Hüfte und wir ließen uns von Donnas Sohn morgens wieder zurück zum Punchbowl fahren. Wir erlebten einen wunderbaren Tag auf dem Trail und hatten bei bestem Wetter tolle Ausblicke, eine Schluchtenwanderung und auch noch ein idyllisches Flusstal am Ende des Tages. Das Shelter hatten wir wieder für uns, auch wenn noch ein Nachtwanderer vorbei kam, als wir gerade dabei waren, in den Schlafsack zu kriechen. Der Typ redete innerhalb 5 Minuten 5000 Wörter und uns schlackerten die Ohren. "Trouble" hat nach eigenen Angaben schon über 12000 Trailmeilen, ist den AT schon mehrmals gegangen und hat in diversen Hostels gearbeitet. Eine Legende... nein, hier sagt man wohl: "He is a character!"

Morgens mussten wir dann natürlich erstmal wieder aus dem schönen Flusstal aufsteigen. Wir sahen sogar das Zelt von "Trouble", der am Vortag noch einiges im Dunkeln gewandert war. Wir konnten unseren Weg vorausschauend gut sehen und die "Hügelchen" sollten uns noch etwas abverlangen. Wieder war heftiger Regen angekündigt, aber die Chancen standen gut, dass wir es diesmal trocken zum Thunder Hill Shelter schaffen konnten. Leider war nicht klar, ob es dort oben Wasser geben würde, deswegen füllten wir unsere Flaschen an der ersten Quelle auf. Während wir dort schöpften, kamen mindestens 4 Wanderer und Hundespaziergänger vorbei. Der erste Hundebesitzer zog seinen Hund vom Wasser weg, weil wir ja gerade daraus Wasser holten. Der Zweite fragte, ob es ok wäre, dass sein Hund aus dem Wasser trinken dürfte und die Dritte Hundebesitzerin ließ ihren großen Schäferhund einfach durchs Wasser tapern, der alles aufwühlte und auch noch fast unsere Desinfektionstropfen umkippte. Das war mal wieder so bizarr und klar zu erkennen, wer mit dachte oder wer nur sich uns seinen Hund sah. Wir schafften es trocken zum Shelter und bauten das Zelt wieder im Shelter auf, um uns vor dem Regen und Wind zu schützen. Leider kam dann noch ein junges Thruhiker-Pärchen, die erstmal etwas rummeckerten, dass wir soviel Platz einnahmen. Es wäre genug Platz gewesen, aber wir bauten das Zelt wieder ab. Es regnete dann natürlich wieder ins Shelter rein und wir legten uns alle möglichst dicht an die hintere Wand, um wenig Regen abzubekommen. Das half leider nicht viel, aber immerhin hörte der Regen morgens wieder auf. Die beiden Thru-Hiker waren mir nicht sympathisch. Er redete ausschließlich mit 2Tall, auch wenn ich tatsächlich zwischendurch versuchte, mich am Gespräch zu beteiligen. Sie sagte kein Wort und natürlich wurde abends und morgens das obligatorische Graspfeifchen geraucht, um lustig und entspannt den Tag zu ertragen...

Wir wanderten in Regenklamotten los, die uns auch gut wärmten, der Regen hielt sich tatsächlich in Grenzen und so kamen wir fast trocken, nach 14 Meilen an einer Straße an, wo wir uns vom Motel abholen ließen. Das klappte, dank des guten Empfangs, super und wir freuten uns auf das Motel. Das Setting hier in Buchanan war mal wieder grandios und nur in den USA möglich. Das Motel liegt nämlich etwas oberhalb der Interstate, die Tanke und ein Restaurant direkt nebenan. Wir aßen an diesem Abend fürstlich, freuten uns auf den Ruhetag. Noch zwei Wandertage bis Daleville, sollten wir es dann wirklich geschafft haben? Noch sind wir nicht da, aber diesmal könnte es klappen. Daleville wir kriegen dich..!

P.S.: Hier noch die schönsten Phrasen, die man auf dem Trail von anderen Hikern dauernd zu hören bekommt ;-)

Platz 3: “He's friendly!“ (Meint ungefähr das gleiche, was deutsche Hundebesitzer ausdrücken mit “Er will nur spielen!“)

Platz 2: “It's all downhill from here.“ (Natürlich geht es danach erstmal bergauf.)

Platz 1: “No more rocks.“ (Wer behauptet, es gäbe Abschnitte auf dem AT ohne Felsen, der glaubt wahrscheinlich auch, dass die Erde eine flache Scheibe ist...)

Happy Trails!

(Good Grip, 30.10.2017)

 alle rechte vorbehalten. © jahre wandern ∙ impressum ∙ datenschutz