TA: Von Orewa nach Auckland
Te Araroa
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Weihnachten am Strand ist eine besondere Erfahrung. Weihnachtsstimmung kommt irgendwie nicht auf, auch wenn einige Leute mit roten Mützen herumlaufen, ihre Zelte mit Lichterketten geschmückt haben oder manche Geschäfte mit Glitzerzeug überzogen sind. Wir haben eher Sommerferienstimmung und die meisten Menschen haben ebenfalls Urlaub und genießen ihre Ferien am Beach. Der Strand in Orewa ist voll und es wird Fußball oder Cricket gespielt, die Kinder bauen Sandburgen und viele lassen sich auch nur in den Wellen treiben. Neben unserer Cabin hat sich eine Gruppe/Großfamilie eingemietet, die die Feiertage offensichtlich sehr feucht-fröhlich feiern will, denn die Bierflaschen kreisen schon am Morgen und auch die Sektkorken knallen immer mal wieder. Leider scheint es ohne Musik bei ihnen aber nicht zu gehen und deswegen dröhnen die meiste Zeit irgendwelche Popsongs zu uns herüber. 2tall versucht, mit den Leuten zu sprechen, aber sie reagieren gar nicht weihnachtlich und werden sofort pampig. Schade, denn das ist unsere erste negative Erfahrung, die wir hier mit den Kiwis machen. Aber ok, die Nähe der Stadt und die Masse an Menschen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man auch mal unflexible, nicht so nette Leute trifft. Wir versuchen trotzdem, unseren Zero-Weihnachtstag so angenehm wie möglich zu machen. Wir haben leckere Sachen eingekauft, kochen köstlich und füllen unsere Kohlenhydratspeicher für die nächsten 500 km auf. Ich habe hier übrigens super leckeren Kokosnuss-Yoghurt entdeckt und mische ihn natürlich mit Blaubeeren und Bananen. Ich glaube, das wird mein absolutes Lieblingsessen. Jede Wanderung hat ja so ihre Leckereien. In den USA gab es weiße Schokolade, gefüllt mit Erdnussbutter. Klingt speziell, fand ich extrem lecker. 2tall braucht eigentlich immer Snickers beim Wandern und zeitweise entwickelt sich dieser Appetit sogar zum Snickers-Problem, aber darüber spricht er nicht so gerne ;-)

Am zweiten Weihnachtstag packen wir wieder unsere Sachen und verlassen Orewa. Es stehen nur 14km bis Stillwater an, wo wir auf einem Campingplatz umsonst nächtigen können, weil der Besitzer sehr freundlich gegenüber Te Araroa Wanderern ist. Leider können wir nicht noch weiter gehen, denn die nächste Flussüberquerung steht an und die kann man absolut nur bei Ebbe machen. Und selbst dann könnte uns das Wasser noch bis zur Hüfte reichen. Wir werden es morgen probieren und erleben. Die Strecke heute bestand leider ausschließlich aus Asphalttreterei und wir bekommen einen Eindruck, wie es wohl weiter in Richtung Auckland gehen wird. Der erste Teil des Tages geht noch durch Wohngebiete, die einen schönen Blick aufs Wasser haben. Da fahren auch Radler und diverse Spaziergänger und Jogger absolvieren hier ihr morgendliches Sportprogramm. Wir kehren für einen Vanilleshake und Kaffee nochmal ein und stellen uns danach dem Verkehr. Es wird leider sehr unschön, wir laufen direkt auf einer Straße, auf der die Autos mit mindestens 70km/h an uns vorbei rasen. Der Seitenstreifen ist sehr schmal und wir drei tapern nicht wirklich fröhlich voran. An einem Bushäuschen machen wir eine Pause und sind uns ziemlich sicher, dass wir die Strecke zwischen Auckland und Hamilton mit dem Bus überbrücken wollen. So direkt an einer engen und kurvigen Straße zu laufen, bringt nix und ist außerdem gefährlich. Viele Autofahrer scheinen aber auch gar nicht zu wissen, dass hier ein Weitwanderweg entlang geht, denn wir werden manchmal mit sehr bösen Blicken bedacht, wenn ein Auto mal wieder wegen uns und des entgegenkommenden Verkehrs langsamer fahren muss.

Der Stillwater Campground ist ein privater, etwas älterer Platz mit dem Charme der 70er Jahre. Auch die Bewohner scheinen seit der Eröffnung des Platzes hierher zu kommen... Die Wanderer allerdings dürfen in einer Halle schlafen, die nicht nur mit Matratzen ausgestattet ist, sondern auch einige Fitnessgeräte bietet: Liegefahrrad, Rudergerät, Laufband, Vibrationsplatte und Billardtisch. Sehr speziell, denn es ist schon alles etwas runter, staubig und irgendwie bizarr. Die Wände dürfen übrigens von den Wanderern bemalt werden und wir verewigen uns auch mit unserem Trailnamen und dem Datum. Der Besitzer des Campgrounds kommt nach unserem Abendessen nochmal vorbei und zeigt uns auf der Karte, welche Stelle zum Passieren des Flusses am besten geeignet ist. Von der Zeit passt es um 8.20 Uhr am Morgen am besten, aber es wird wohl immer noch hüfttief werden... Er bietet uns auch an, uns um die Stelle herum zu fahren, aber wir lehnen ab und wollen dieses Abenteuer zusammen durchstehen. Wir gehen früh schlafen, aber leider wirds eher eine unruhige und kurze Nacht. Ich bin definitiv etwas angespannt wegen der Fluss-Überquerung, aber die verranzten Matratzen sind jetzt auch nicht unbedingt "nice and comfy". Um 7.15 Uhr kommen wir am nächsten Tag los und können auf dem wellengeformten Meeresboden unterhalb einer wunderschönen Steilküste entlang gehen. Außer uns Dreien ist keiner unterwegs und wir gehen tief in Gedanken, sehr still in Richtung Flüsschen "Okura Estuary", wo wir am 4. Marker, laut der Trailnotes, das Wasser am besten passieren sollten.

Steffen zieht sein T-Shirt aus und Gamaschen an, wir entledigen uns unserer langen Hosen. In Unterbuchse und Crocs gehen wir unserem Schicksal entgegen. 2tall scoutet erstmal ohne Rucksack und ist für 3-4 Schritte bis zum Bauch abgetaucht. D.h. die Rucksäcke müssen über den Kopf oder auf die Schulter (so macht es Steffen) und ich trage unsere Schuhe. 2tall geht also mehrmals hin und her und nimmt mir meinen Rucksack ab, wofür ich sehr dankbar bin. Keine Ahnung, ob ich meinen Golite auf dem Kopf hätte balancieren können. Als wir am anderen Ufer sind und uns trocken legen, erzählt 2tall von zwei Rochen, die er beim Waten aufgeschreckt hat. Uhh, das war aber sehr schlau, dass er mir das nicht vorher gesagt hat. Ich war übrigens bis "Tittenhöhe" im Wasser und war erleichtert, dass es nicht noch eine starke Strömung gab.

Bis zum nächsten Strandabschnitt sind es einige Kilometer an der Steilküste entlang und wir schleppen uns so dahin, denn irgendwie sind wir alle ziemlich müde und kaputt. Wir wandern an diversen Bays vorbei (Long Bay, Browns Bay, Mairangi Bay...) und machen mal in einem Park oder direkt am Wasser auf den Bänken Pause. Wir beobachten Kinder, Hunde, Wasserspringer und philosophieren über die großen Häuser/Villen, an denen wir vorbei ziehen. Komischerweise sehen viele Objekte gar nicht bewohnt aus. Wir sind uns einig, dass wir nicht so leben wollen würden. Dann doch lieber weiter draußen, mit Platz drum herum und ein paar Schafen, Ziegen und definitiv einem Hund.

Wir werden mit unseren Rucksäcken und den Wanderstöcken immer mal wieder angestarrt und manchmal gibt es Fragen, wohin wir denn wandern würden, woher wir kämen. Kurz vor Milford Bay biegen wir zu unserem B&B ab, Steffen hat eine Unterkunft etwas außerhalb bei einer ehemaligen Thru-Hikerin, die im letzten Jahr den Trail gelaufen ist. Wir werden tatsächlich in einer dieser Villen heute Nacht schlafen, allerdings entpuppt sich das Ganze irgendwie als Airbnb und weniger als B&B. Es ist ein wenig komisch, und auch wenn die jungen Leute (sie Chinesin, er vielleicht Spanier?) freundlich sind, können wir uns nicht komplett entspannen. Sie erzählen, dass in dem großen Wohnzimmer sonst Yoga unterrichtet wird, die Yoga-Lehrerin aber gerade in China zur Fortbildung weg sei. Schade, eine Yoga-Stunde hätte ich sonst gerne noch mitgenommen. Die Sicht aus unserem Zimmer auf das Meer ist allerdings gigantisch und wir können es noch nicht so ganz glauben, dass das heute Nacht unser Dach über dem Kopf ist. Wir duschen und machen uns danach aber erstmal zum Restaurant an der Ecke auf. Es ist eine griechische Taverne, die von einem Klischee-Griechen geführt wird, der seine finanzstarken Gäste alle mit Küsschen rechts und links begrüßt. Wir haben leider keine Reservierung, bekommen aber noch ein Plätzchen, um den klassischen griechischen Salat, Auberginen-Dip und die vegetarische Pizza zu genießen. Die Griechen sind zwar nicht weltberühmt für ihre Pizza-Kreationen, aber 2tall liebt nun mal Pizza.

Das Frühstück in dem Yoga Haus ist so ungewöhnlich wie erwartet, denn wir sollen uns einfach am Kühlschrank bedienen, der nicht so ganz unseren Sauberkeitsstandards entspricht. Aber die Nespressomaschine macht uns einen leckeren Kaffee und auf dem Tisch stehen Weetabix und Nutella, nun denn. Wir ziehen bald los und sind froh, dieses Haus zu verlassen, irgendetwas war, wie gesagt, komisch.

Die Straße und der Asphalt haben uns bald wieder fest im Griff und als wäre es abgemacht, sehen wir Steffen am Milford Beach, der dort 5 Minuten vorher abgesetzt wurde. Wir marschieren also zusammen los und werden immer wieder angesprochen, woher wir kommen, wohin wir gehen. Die beste Unterhaltung habe ich allerdings mit 2 Kindern, die mit ihren Eltern am Strand sitzen. Was ich denn mit diesem großen Rucksack machen würde, und wo ich denn wohnen würde, wenn ich unterwegs sei. Aha, ein Zelt, na sie hätten zu Hause ja ein richtiges Haus. Ich beglückwünsche sie zu ihrem Haus und die Mutter muss dann noch hinzufügen, dass das ja ein sehr großes Abenteuer sei, so lange unterwegs zu sein. Ist es ein Abenteuer? Eine besondere Reise mit sehr viel Abwechslung auf alle Fälle.

An einem Strandabschnitt treffen wir auf einen Deutschen, der hier schon seit 20 Jahren lebt und auch schon einige Strecken gewandert und gepilgert ist. Er ist, wie wir, auf dem Weg zur Fähre nach Davenport und wir unterhalten uns übers Wandern, den Te Araroa, aber auch den Appalachian Trail. Um 12.45 Uhr können wir die Fähre für 6$ nach Auckland City nehmen. Der Wind ist recht böig und das Wasser ziemlich unruhig, aber beim Fahren ist von der Unruhe kaum etwas zu spüren. Wir besorgen uns beim DOC Office (Department of Conservation) noch den Hut Pass für schlappe 92$ pro Person und können so auf die Hütten zurückgreifen, die es bald unterwegs gibt. Allerdings dürfen wir mit diesem Pass nicht die Hütten der Great Walks benutzen, denn die muss man extra buchen und natürlich extra bezahlen. Da noch genügend Zeit ist, essen wir mit Steffen noch etwas am Hafen und ziehen dann unserer Wege. Steffen hat eine Bekannte etwas außerhalb von Auckland, wo er übernachten wird. Wir haben ein Zimmerchen in der Queenstreet, müssen vorher aber auch noch unser Paket von der Post abholen. Wir kaufen noch ein wenig ein, um Abendbrot zu haben und beziehen ein Zimmer im achten Stock mit einem unfassbaren Blick auf die City Aucklands. Für den nächsten Tag stehen einige Besorgungen an, denn ein paar Sachen sind abgenutzt oder kaputt und wir hoffen, hier etwas zu bekommen. Es wird also kein wirklicher Zeroday, aber es wird hoffentlich reichen, "zwischen den Jahren" auch etwas durchzuschnaufen.

(Good Grip, 29.12.2017)

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