Radwanderung: Von der Elbe durch Schleswig-Holstein nach Kiel
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Die Fähre ist nicht so weit von Freiburg entfernt, und bei sonnigem Wetter setzen wir bei Glückstadt über die Elbe. Es sind einige LKW geladen, so dass die Fähre gar nicht voll besetzt mit Touris bzw von Wohnmobilen ist.

Am Deich wird es wieder sehr kühl und wir frieren mit dem Fahrtwind erheblich. Wir kommen dicht am AKW von Brokdorf vorbei. Das ist schon ein komisches Gefühl, so nah an diesem Ding vorbei zu radeln, mit den diversen Videokameras und dem hohen Stacheldraht drumherum wirkt es abgeschottet, aber auch sehr bedrohlich.

Der Wind hat nochmal aufgefrischt und wir müssen am Deich mächtig in die Pedale treten. Ich nutze ab und zu mal die zweite Position, um Windschatten zu fahren, wofür ich sehr dankbar bin.

Eine weitere Fährfahrt, diesmal über den Nord-Ostsee-Kanal, gibt es für lau, aber das ist auch nur eine sehr kurze Überfahrt, bis wir in Brunsbüttel wieder anlanden. Die Stadt ist wegen einer riesigen Baustelle etwas zerrissen und wir sind von dem ganzen Gedöns etwas genervt. Auch der Versuch, einen Corona-Schnelltest zu bekommen, scheitert. Der Ort will uns nicht und wir wollen diesen Ort irgendwie auch nicht.

Wir fahren nach einem kurzen Einkaufstrip weiter und steuern unsere Unterkunft an, das "Elbhus" in Neudorf. Der Hausherr schraubt gerade draußen an irgendwelchen Walrosszähnen herum und wir bewundern eine Wohnung, die besonders, aber auch irgendwie seltsam ist. Der typische Ankerflair darf nicht fehlen, überall ist ein kleines oder größeres Emblem des Elbhuses aufgeklebt oder eingestickt. Die Getränke zur Begrüßung sind super, aber bei den Pflegebetten muss ich doch etwas stutzen. Außerdem gibt es überall Bewegungsmelder und selbst im Bad läuft der Wasserhahn kontaktlos. Wir fühlen uns in dem Haus nicht so ganz wohl, aber direkt vor der Tür ist der Deich mit diversen Schäfchen, was mich versöhnt. Ich mag diese blökende Atmosphäre. Auf den Wiesen am Deich sehen wir Massen von alten Kohlköpfen, die die Schafe hier bekommen. Da stürzen sie sich aber nun auch nicht unbedingt drauf, denn die "ollen Köppe" aus dem letzten Herbst würde ich vielleicht auch nicht mehr mit voller Begeisterung essen wollen.

Wir starten am nächsten Morgen tatsächlich bei Trockenheit, obwohl wir während unseres Haferflockenfrühstücks schon einen dicken Schauer von drinnen beobachten konnten. Der Wind ist heftig, aber unsere grobe Richtung passt, und wir lassen uns am Deich mächtig schieben. Die entgegenkommenden Radler können wir nur bemitleiden, aber manche lächeln uns tapfer zu.

In der Jugendherberge von Büsum lassen wir uns mal wieder testen, was diesmal sehr flott und unkompliziert geht. Während wir drinnen unsere Nasenlöcher freigeben, gibts draußen einen ordentlichen Schauer. Timing!

Büsum ist voll, und leider müssen wir mitten durch die Fußgängerzone, wo die Menschen um 12 Uhr an ihrer Weißweinschorle nippen, nachdem sie in dem Lädchen nebenan eine Tasche mit einem Ankerbild gekauft haben. Ist das euer ernst, darauf habt ihr euch nach dem Lockdown gefreut? Ich bin irritiert.

Wir fahren, so schnell es eben geht, aus dem Ort, bewundern einige Kitesurfer und schließen vorsichthalber mal ein offenes Tor am Deich, was den Schafen zum Glück noch nicht aufgefallen war. Mit guten 23 km/h rasen wir vom Wind gedrückt in Richtung Eidersperrwerk. Der Radweg verläuft hier auf dem Deich und die Böen reißen uns fast vom Rad. Es ist unheimlich, welche Kraft dieser Wind hat und wie leicht es ist, uns Menschen einfach umzupusten. Die Seevögel nutzen den Wind für kunstvolle Manöver und die roten Füßchen der Kibitze sehen im Wind sehr witzig aus, denn sie dienen definitiv auch zum steuern.

Bis ins Örtchen mit dem schönen Namen "Welt", braucht es noch etwas Kraft, um sich dem Wind entgegenzustellen. Dann taucht in einer Kurve endlich der Möllner Hof auf. Wir sind von dem Wind, auch wenn er für uns meistens aus der "richtigen" Richtung kam, ziemlich ko und freuen uns auf eine Dusche und das Abendessen, was wir uns hier gönnen wollen. Ich hatte schon vor ein paar Tagen gesehen, dass es dort eine Spargelkarte gibt. Leider gibt es, neben der Spargelkarte, auch eine Hochzeitsgesellschaft, die Tische für den Abend sind belegt und wir können erst um 20 Uhr essen, und leider funktioniert auch das Internet nicht. Hmm, sind wir enttäuscht? Schon etwas, denn die Unterkunft ist nicht gerade billig und tatsächlich ist es für uns wichtig, wie das Wetter wird, ob wir noch eine Teststation aufsuchen müssen, wie die Route weitergeht usw. usw. Ja, wir brauchen nicht immer WLAN, aber selbst über den Mobilfunk ist hier nix zu holen, denn es gibt hier kaum Empfang.

Aber einen kleinen Lichtblick gibts dann doch, als es plötzlich an unserer Tür klopft und wir doch schon um 19:15 Uhr zum Essen gehen dürfen. Das Restaurant ist sehr gut besetzt, natürlich nur jeder zweite Tisch, und es fühlt sich schon fast wieder nach alten Zeiten an, so "ante Corona" halt.

Das Frühstück ist leider nur standard, wie 2Tall zu sagen pflegt: "Nix besonderes...!" Aber mal Frühstück ohne warme Haferflocken ist gut, finde ich.

Wir starten heute dann doch im Regen bei heftigem Wind und hoffen sehr, dass unsere Regenklamotten dieser Wassersäule stand halten können. In Grindel decken wir uns noch mit ein paar Lebensmitteln ein und stechen in See.

Die Strecke ist wirklich sehr idyllisch, aber mit dem Genuss ist das heute so eine Sache. Die Kühe zeigen uns ganz deutlich, wie der Wind steht, und in Reih und Glied trotzen sie mit ihren Hintern den Böen. Auch die Pferde halten es so und wir scheinen auf Erden die einzigen Verrückten zu sein, die bei diesem Wetter radeln. Aber wir haben Glück, denn es gibt hier noch richtige Bushäuschen. Und wir nutzen einige, um in den kurzen Pausen mal durch zu schnaufen. Am Ende des Tages kommen wir ziemlich dreckig, nass und kaputt in Owschlag an, wo wir ein Zimmerchen in einem Bed and Breakfast gebucht haben. 70km sind es geworden und das finden wir bei diesem norddeutschen Schietwetter echt gut. Das Haus ist voll besetzt und die Autos und Motorräder vor dem Haus deuten auf ein langes Pfingstwochenende hin.

Wir sind erleichtert, dass es am nächsten Morgen nicht regnet, der Wind ist zwar mal wieder eisig, aber von T-Shirt-Wetter haben wir uns ja schon lange verabschiedet. Die kurze Hose ist in den Untiefen der Fahrradtasche verschollen.

Bis Schleswig kommen wir nur zäh voran, der Tag gestern hat wohl doch ein paar Körner gekostet. Leider müssen wir in dem Städtchen noch einen Corona Test in einem Drive-In machen. Die Sicherheitsfirma, die das hier aus dem Boden gestampft hat, hat entsprechend anmutende Mitarbeiter, und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass es hier vorwiegend um Geld geht.

Ab Schleswig fahren wir auf dem Bahnradweg der ehemaligen Kreisbahn nach Süderbrarup. Der Weg ist super, die Sonne scheint und endlich ist es wieder leicht, den "Genuss zu genießen". Die Wolken, die Rapsfelder und der blaue Himmel, das ist ein tolles Farbenspiel, was wir hier beobachten können. Leider wird der Weg dann aber sehr grasig und holperig, so dass wir auf die die Landstraße nach Lindau abbiegen, um zur Schlei zu kommen.

Ein Eis und ein Kaffee draußen am Wasser machen den Tag perfekt und unser Urlaubsgefühl blüht regelrecht auf. Noch etwas Wind, noch ein paar kleine Anstiege, dann erreichen wir unsere Unterkunft in einem 200 Jahre alten Reetdachhaus in Brodersby mit Kaffeestuve, die aber leider schon zu hat. Mithilfe des Wasserkochers und dem Geschirr machen wir uns Abendessen und fallen ins Bett.

Bevor wir am Morgen starten, bekommen wir noch eine kleine Belehrung über das Haus, dann dürfen wir los. Manche Menschen bei Airbnb haben eben einen Auftrag, und der ist größer als nur ein Bett anzubieten.

Auf den Wegen kommen wir nicht nur an sehr schönen Ferienhäusern vorbei, sondern auch an einem Regiomaten, an dem ich mir super leckeren Bio-Schafskäse mit Bärlauch ziehe. Der Weg durch Felder und Wiesen ist sehr idyllisch, allerdings ist die Stimmung bei 2Tall im Keller. Er ist traurig, hat einen unglaublich schlechten Tag, und ich versuche zu reden, zu retten, aufzubauen, anzuhören, was leider nur begrenzt hilft.

Ein Hof-Café im Nichts baut uns mit Kuchen und Getränken wieder etwas auf, aber 2Talls Tag wird es heute nicht.

Noch einmal Fähre fahren über den Nord-Ostsee-Kanal, dann sind wir schon bald in Kiel, wo wir eine Freundin von mir besuchen. Wie schön ist das, Sabine wiederzusehen und ihren Mann kennenzulernen. Es gibt auch dort nochmal ausgezeichneten Kuchen, heute ist Konditorei-Tag, aber ich kann die kompakte Energie gut gebrauchen.

Unser Airbnb liegt nur ein paar Kilometer entfernt, direkt am Wald. Wir haben sogar noch die Möglichkeit, ein paar Klamotten zu waschen, und bekommen noch Brötchen von den sehr netten Hosts geschenkt. Ich könnte es Trailmagic nennen, denn genauso fühlt es sich an.

Wir schlafen erschöpft ein und hoffen sehr, dass sich unsere Gemüter am nächsten Tag wieder beruhigt haben.

(Good Grip, 31.5.2021)

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