Von Mexiko nach Seattle
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Neun Tage haben wir in Valladolid verbracht. Es war eine ruhige, warme und interessante Zeit. Wir hatten ein tolles Zimmer mit kleiner Küchenzeile und konnten es mit der super Klimaanlage, dem guten Internet und dem schönen Pool und Garten in der familiären Unterkunft sehr gut aushalten. Herausragend waren natürlich Susis mexikanische Frühstückskreationen, so lecker und so vegetarisch.

Auch die Stadt hat uns gefallen, mit den Cenoten, dem Convent und dem nahe gelegenen Ek Balam.

Dann ging es mit dem ADO Bus zurück nach Cancun. Während der 2,5 stündigen Fahrt dröhnen die Klimaanlage und ein amerikanischer Film, auf spanisch synchronisiert, durch die Reihen. Es ist akustisch etwas anstrengend und natürlich sind wir aufgeregt, was uns in Cancun erwartet.

Im Busterminal angekommen nehmen wir ein Taxi, denn zu Fuß mit den Taschen ist das einfach zu weit und natürlich viel zu warm. Aber erstaunlicherweise haben wir das Gefühl, dass es doch nicht ganz so heiß hier ist, so unser erster Eindruck...

Wir werden an einem Haus abgesetzt, wo mal wieder nichts dran steht. Könnte auch ein Privathaus sein. Das Tor ist offen und wir gehen rein, die Klingel nutzen wir auch, aber es gibt keine Reaktion. Auch durch Klopfen und Rufen passiert nix. 2Tall ruft einfach an und hat Daniele an der Strippe, der zwar im Haus ist, uns aber wohl nicht gehört hat, denn er guckt etwas verwundert aus dem Fenster.

Unser Gastgeber ist Italiener und bietet uns erstmal ein Bier an, was wir dankend ablehnen. Das Zimmer ist ganz schön, aber die Klimaanlage kommt nicht so recht in Gang und das Internet funktioniert nicht. Hmm, wir sind irritiert und etwas genervt. Denn die Bewertungen für diese Unterkunft waren eigentlich herausragend.

Was hilft bei so einer Stimmung fast immer? Genau, Konsum, und deswegen gehen wir erstmal in die nahegelegene Mall.

Was uns dort erwartet, ist allerdings eher schockierend und abschreckend. Denn das ist ein wahrer Konsumtempel und absolut amerikanisiert. Wir kehren bei Starbucks ein, aber Kaffee und Keks heben leider auch nicht gerade unsere Stimmung.

Um zum Supermarkt zu kommen, müssen wir quasi durch den Vorraum des Kinos gehen. Dort kommen wir an Spielautomaten mit Ballerspielen vorbei (die Blicke der Zocker mit der Wumme in der Hand sind schockierend) und werden dann an einem walmartähnlichen Laden ausgespuckt, wo wir uns neben den Lebensmitteln vielleicht noch eine Klimananlage kaufen könnten. Es gibt alles, von der Babyborn, übers Bügeleisen bis zum Flachbildfernseher. Wir packen schnell unsere paar Essensachen zusammen und verlassen diesen Ort wieder.

Oh Mann, was war das denn jetzt? War das real oder waren wir in einem bösen Traum? Ich finde diese riesigen Malls mit den vielen Läden zunehmend abschreckender.

Unser Gastgeber Daniele ist zwar sehr hilfsbereit, aber auch ein wenig anhänglich mit seiner Art. Ich glaube, er möchte gerne etwas Hostelatmosphäre verbreiten. Das Frühstück ist sehr einfach und wir sehnen uns nach Susis Kochkünsten zurück. Mann, das war wirklich herausragend, was wir da genießen konnten.

Die anderen Gäste hier sind super nett und wir kommen immer mal wieder ins Gespräch, was spannend ist und auch sofort unsere Stimmung hebt. Es wohnt noch ein anderer Deutscher hier und ein amerikanisches Pärchen, sie ist in Mexiko geboren, hat aber auch eine Affinität zu Deutschland, ihre Tochter war schon mal in Deutschland und sie selbst kennt sogar Pumuckl und Biene Maja, super.

Wir bewegen uns in Cancun quasi gar nicht, es ist einfach viel zu heiß und stickig auf den Straßen, und wir fühlen uns nicht wirklich sicher. Wir wagen uns nur einmal raus, um noch einen Antigenschnelltest für den Flug zu machen. Das ist in der Apotheke nebenan möglich, und die Amerikanerin mit mexikanischen Wurzeln aus unserem Hotel, begleitet uns, und hilft uns, dass wir den richtigen Test bekommen. Vielen Dank dafür!

Es gibt immerhin auch einen Pool bei Daniele, den ich nutze, auch wenn es sich fast wie ein Naturteich anfühlt mit all den Blättern, Blüten und einigen ertrunkenen Insekten. Das Wasser ist suppig warm, aber ein bißchen rumpaddeln und rumplanschen macht Spaß.

Außerdem habe ich ja auch noch meine Turnmatte dabei, die ich regelmäßig für diverse Übungen nutze. Es ist ein kleiner, verzweifelter Versuch, meine Fitness nicht komplett zu verlieren. Leider habe ich das Gefühl, dass das in den letzten zwei Wochen nur sehr begrenzt gelungen ist. Das wird sich in den ersten Tagen auf dem Trail sicherlich deutlich bemerkbar machen.

An unserem letzten Abend kocht Daniele für alle Spaghetti, was echt lecker und einfach super nett ist. Wir sitzen zusammen an dem großen Tisch und die Hostelatmosphäre ist perfekt. Obwohl die Klimaanlage läuft, rinnt uns der Schweiß aus allen Poren. Wir schwitzen wie in der Sauna und brauchen danach erstmal eine Dusche und unser klimatisiertes Zimmer. Schade, denn sonst hätten wir uns bestimmt noch etwas länger mit den anderen Gästen unterhalten.

Am Sonntag Morgen können wir noch eine gute Stunde länger in unserem Zimmer bleiben, was klasse ist, denn dort läuft die Kimaanlage, bevor uns Daniele ein Taxi ruft. Wir sind sehr rechtzeitig am Flughafen, was sich allerdings als günstig herausstellt, denn schon bevor wir unser Gepäck abgeben, werden wir drei Mal kontrolliert: Testergebnis, Gesundheitsfragebogen, Länge des Aufenthaltes in Mexiko (der tatsächlich mit den Fingern abgezählt wird). Wir sind aufgeregt und erleichtert, als wir endlich durch die Sicherheitskontrolle gehen dürfen.

Danach gönnen wir uns in einer Bar ein Mittagessen, verkloppen die letzten Pesos und gucken die erste Halbzeit des Finales der Europameisterschaft. Im Flugzeug erfahren wir dann vom Elfmeterschießen, und dass Italien gewonnen hat. 2Tall hat mit seinem Tipp Recht behalten und Daniele freut sich sicherlich sehr darüber.

Der Flug ist nicht so lang, ich schaue zwei sehr gute Filme und dadurch vergeht die Zeit "wie im Fluge".

An der Immigration in Seattle wirds dann aber spannend. Erstmal warten wir mit einem anderen PCT Hiker, der die Strecke in 100 Tagen laufen will... Hmm, interessant. Und der Grenzbeamte, der uns dann interviewt, war schon mal auf dem PCT und auch auf dem AT. Er ist superfreundlich und gibt uns einen Stempel bis Januar 2022, die vollen 6 Monate, toll! Endlich endlich endlich sind wir in den USA!

Die Koffer und Taschen liegen bereit, nur auf den Shuttlebus zum Hotel müssen wir etwas warten. Dann reicht es aber für heute, wir sind mit den zwei Stunden Zeitunterschied zwar nicht ganz so stark irritiert, aber die Anspannung an der Immigration war schon groß und so fallen wir ko, aber sehr happy, in unsere Hotelbetten.

Die nächsten Tage sind voll mit Organisation für den Trail. Bis uns die Nachricht erreicht, dass im Bereich des Starts Waldbrände ausgebrochen sind. Also, alles nochmal umplanen, vielleicht einen anderen Weg nehmen, der deutlich weiter ist, weil auch Straßen gesperrt sind, um an den Start an der kanadischen Grenze zu kommen?

Wir sind hin- und hergerissen. Natürlich wollen wir am richtigen Startpunkt beginnen, aber um jeden Preis? Der Kontakt mit der Hostelbesitzerin, die uns auch zu unserem Startpunkt fahren wird, ist hilfreich, und aufgrund der unsicheren Lage beschließen wir, an einem Pass etwas südlich vom eigentlichen Startpunkt zu beginnen. Das ist schade und natürlich sind wir etwas enttäuscht, die kanadische Grenze mit dem Trail Monument zu verpassen, aber diese Waldbrände (die wohl durch Blitzeinschläge verursacht wurden) sind einfach zu gefährlich.

Am Tag davor werden uns nette Menschen zu dem Hostel fahren, was ca. 150 km nördlich von Seattle liegt. Es ist wirklich herausragend, wie hilfsbereit manche Menschen hier sind. Sie kennen uns nicht und wollen uns trotzdem einfach so helfen. Soziale Medien wie Facebook machen es möglich, dass wir mit diesen Menschen in Kontakt kommen.

Der nächste Blogpost ist dann hoffentlich, wirklich, endlich von unterwegs, vom Pacific Crest Trail. Wir können es kaum noch erwarten, denn wir haben die Nase voll von Reisen, Transfers, Papierkram, Organisationsstress, Hotels, Städten, Malls usw. usw. Aber jetzt haben wir wahrscheinlich ungefähr 9 Tage lang kein Internet, weil wir in der Wildnis unterwegs sind, sodass es etwas dauern wird, bis wir uns hier wieder melden.

Happy trails!

(Good Grip, 15.7.2021)

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